Samstag, 2. Juni 2012

Fallbeispiel "Luis"

Zu Übungszwecken hier mal ein von mir im Rahmen einer Hausarbeit erstelltes Fallbeispiel:


Berufliche Handlungssituation

Ich arbeitet als Erzieherin in einer KiTa einer Kleinstadt. Die Öffnungszeiten sind von 7 Uhr bis 17 Uhr, da viele Eltern berufstätig sind. Ich betreue zusammen mit einer weiteren Erzieherin und einer Berufspraktikantin eine Gruppe von 24 Kindern im Alter von 3 bis 6 Jahren. Gruppenübergreifend steht eine Heilpädagogin zur Verfügung.
Die Kinder kommen aus Familien unterschiedlicher sozialer Schichten, der Anteil an Kindern mit Migrationshintergrund liegt bei etwa einem Viertel.
Die KiTa liegt am Rande eines ruhigen Wohngebietes, nah am Wald. Der Gruppenraum ist in mehrere Ebenen aufgeteilt, um viel Platz zum Bewegen zu schaffen. Desweiteren gibt es einen Nebenraum, der sowohl als Schlafraum, als auch zum Kuscheln und als Leseecke genutzt wird.
Schwerpunkt in der pädagogischen Arbeit sind Bewegung und Musik, es wird situationsorientiert und teiloffen gearbeitet. Es besteht eine gute Zusammenarbeit mit der Musikschule, deren Räumlichkeiten und Instrumente regelmäßig von der KiTa genutzt werden können.
Die Arbeit in der Gruppe und auch im Team macht mir großen Spaß. Vor kurzem habe ich meine Zusatzqualifikation „Fachkraft für elementare Sprachförderung“ abgeschlossen und freue mich darauf, dieses Wissen in den Gruppenalltag einbringen zu können.

Luis ist 3 Jahre alt und seit 2 Monaten, nach einem Umzug und einer neu aufgenommenen Berufstätigkeit der alleinerziehenden Mutter, in meiner Gruppe.
Er spricht kaum und wenn nur undeutlich, ein von mir erstellter und bearbeiteter Beobachtungsbogen erfasst einen geringen Wortschatz und kaum 2-Wortsätze („Trinken haben“).
Luis ist sehr schüchtern, beobachtet lieber die anderen Kinder und ergreift kaum Initiative mit ihnen zu spielen. An den aktuell sehr beliebten Rollenspielen zeigt er kein Interesse.
Lieber nutzt er allein die vielen Bewegungsmöglichkeiten im Raum und draußen im Garten. Wenn gesungen wird sitzt er zwar meist etwas abseits der Gruppe, summt allerdings die Melodie mit und hört sehr aufmerksam zu.
Obwohl er eigentlich trocken ist, nässt er im Gruppenalltag regelmäßig ein.

Im Elterngespräch mit der Mutter kam heraus, dass Luis schon als Baby eher ruhiger war und spät mit dem Sprechen begonnen hat. Nach dem Abholen und an den Wochenenden darf Luis meistens Fernsehschauen, damit seine Mutter in Ruhe die Hausarbeit erledigen kann. Sie spricht wenig mit ihrem Sohn weil sie der Meinung ist, dass er sie eh nicht versteht, denn er antwortet kaum auf ihre Fragen.
Mir ist beim Abholen aufgefallen, dass die Mutter Luis oft Antworten abnimmt („Hast Du Hunger? Ja, du musst ja Hunger haben, deine Brotdose ist ja noch voll.“) und ihn oft verbessert, wenn er undeutlich spricht oder einen Fehler macht. Den Vorschlag, dass die Heilpädagogin Luis Sprechverhalten genauer beobachtet lehnt die Mutter ab, mit ihrem Sohn sei alles in Ordnung, er wäre nur etwas zurückhaltender.
Die Zusammenarbeit mit der Mutter gestaltet sich als schwierig.
Ich bin unsicher über meine weitere Vorgehensweise was Luis betrifft.
Gemeinsam im Team und mit der Heilpädagogin möchte ich nun überlegen, wie wir Luis weitere Entwicklung fördern und dabei die Mutter mit einbeziehen können.

Aufgabe:
Analysieren sie die berufliche Handlungssituation aus psychologischer und heilpädagogischer Fachperspektive.

Donnerstag, 31. Mai 2012

Rechtsgrundlage, Zielsetzung, Leitbild Krippe

Da in der neuen Prüfungsstruktur für Bayern vorgegeben ist, auch was zur Rechtsgrundlage, der Zielsetzung und dem Leitbild der jeweilig verlangten Einrichtung zu schreiben, beginne ich hier mal mit der Kinderkrippe.

Rechtsgrundlage

Rechtsansprüche auf Tagesbetreuung von Kindern unter 3 Jahren sind im SGBVIII (Achtes Sozialgesetzbuch, auch Kinder- und Jugendhilfegesetz KJHG) beschrieben und festgelegt. Der entsprechende Artikel ist §24 SGBVIII, Abs. 2 ("Für Kinder im Alter unter 3 Jahren ist ein bedarfsgerechtes Angebot an Plätzen in Tageseinrichtungen und in der Kindertagespflege vorzuhalten.")

Das Tagesbetreuungsausbaugesetz (TAG) und das Kinderförderungsgesetz (KiföG) legen einen Rechtsanspruch auf Betreuung für Kinder unter 3 Jahren, bis zum Jahr 2013 fest und stärken auch die Kindertagespflege. 2013 soll für jedes dritte U3-Kind ein Betreuungsplatz geschaffen werden und es wird ein Rechtsanspruch für alle Kinder ab dem 2. Lebensjahr eingeführt.

Die Öffnungszeiten einer Kinderkrippe erstrecken sich in der Regel von 7:00 Uhr bis 17:00 Uhr.

Zielsetzung

§1 SGBVIII Recht auf Erziehung
Jeder junge Mensch hat ein Recht auf Förderung seiner Entwicklung und auf Erziehung zu einer eigenverantwortlichen und gemeinschaftsfähigen Persönlichkeit.

§22 Grundsätze der Förderung von Kindern in Tageseinrichtungen
Tageseinrichtungen für Kinder und Kindertagespflege sollen
- die Entwicklung des Kindes zu einer eigenverantwortlichen und gemeinschaftsfähigen Persönlichkeit fördern
- die Erziehung und Bildung in der Familie unterstützen und ergänzen
- den Eltern dabei helfen, Erwerbstätigkeit und Kindererziehung besser miteinander vereinbaren zu können

Der Förderauftrag umfasst
- Erziehung, Bildung und Betreuung des Kindes
- bezieht sich auf die soziale, emotionale, körperliche und geistige Entwicklung
- orientierende Werte sollen vermittelt werden
- Förderung soll sich orientieren am Alter, Entwicklungsstand, den sprachlichen und sonstigen Fähigkeiten des Kindes, der Lebenssituation, den Interessen und Bedürfnissen des Kindes und soll die ethnische Herkunft berücksichtigen

Leitbild

- Kinderkrippe ist eine familienergänzende Tageseinrichtung
- Erziehungsziel: altersentsprechende Förderung, Unterstützung und Stärkung des Kindes in verschiedenen Bereichen
- das Wohl des Kindes steht im Mittelpunkt
- wertschätzende und achtsame Haltung gegenüber dem Kind erbringen

Mittwoch, 30. Mai 2012

Kindgerechter Tagesablauf (Krippe)

1. Kindgerechte individuelle Tagesgestaltung
- Rituale sind immer wiederkehrende, vertraute Abläufe, die Halt, Geborgenheit und Orientierung bieten, Kinder stark machen und helfen, sich im Leben zurechtzufinden und den Alltag zu bewältigen
- Bereiche für Rituale in der Krippe:
* Ankommen und Abschied (individuell, zeigt Wertschätzung)
* beim Essen (Tischgebet, Spruch)
* geregelter Jahreskreis und Jahresfestgestaltung
- Rituale sind nicht starr, sondern werden flexibel an die individuellen Bedürfnisse der Gruppe angepasst
- Tagesablauf muss an die Bedürfnisse der Gruppe angepasst werden
- Schlafens- und Essenszeiten flexibel gestalten (wenn Kind schon früher müde ist, darf es vor der üblichen Mittagsschlafzeit ins Bett gehen)
- Wickeln sollte nach Bedarf und nicht nach der Uhr geschehen

2. Mahlzeiten und Ernährung
- vollwertige (ausgewogene, gesunde) Ernährung ist vorzuziehen
- Essen und Trinken Nahrungsaufnahme und Bedürfnisbefriedigung
- 1. LJ: Nahrungsaufnahme = Wärme, Zuwendung, Geborgenheit
- Erleben von Gemeinschaft und Erlernen von Esskultur
- Selbstständigkeit fördern durch alleiniges Entscheiden (was esse ich, wieviel?) und aktives Mitmachen (Essen verteilen, Tisch decken und abräumen, selber essen lassen)

- Grundsätze der kindlichen Ernährung:
* max. 2mal in der Woche Fleisch oder Fisch
* täglich frisches Obst und Gemüse zur Verfügung stellen
* möglichst viele Produkte aus biologisch-dynamischem Anbau
* kein Industriezucker oder sparsame Nutzung von Zucker und Gewürzen
* Calciumbedarf des Kindes decken
* ausreichendes und abwechslungsreiches Getränkeangebot

!! bei Allergien oder U1-Kindern Ernährung mit den Eltern abstimmen !!
!! gute und regelmäßige Ernährung ist Voraussetzung für körperliche und geistige Entwicklung, für Lernen und Schulerfolg !!

3. Pflege und Sauberkeitserziehung
- bei der Pflegehandlung geht es in hohem Maße auch um die Beziehungsgestaltung
- pflegerische Tätigkeiten, begleitet von großem Einfühlungsvermögen sind individuell gestaltet und Basis für pädagogische Bildungsprozesse
- Kind wird bei pflegerischen Handlungen nicht als Objekt gesehen und behandelt
- Kind erlebt Körperpflege als alltägliche Normalität
- Vermittlung von Kenntnissen und Fertigkeiten (Wie wasche ich gründlich meine Hände?) sowie Vorbildfunktion Erwachsener
- Sauberkeitserziehung erfolgt ohne Zwang, in einer angstfreien und lustvollen Atmosphäre
- ErzieherIn geduldig und verständnisvoll
- gelegentliche Rückfälle beim Trockenwerden bewusst wahrnehmen aber nicht überbewerten (schwächt Selbstvertrauen)
- eventuelle Schamgefühle der Kinder berücksichtigen

4. Ausruhen und Schlaf
- ausreichender Schlaf als Voraussetzung für die gesunde Entwicklung des Kindes
- individuelles Schlafbedürfnis
- Schlafraum mit entspannter, ruhiger Atmosphäre; Schlafbegleitung durch Rituale (Singen, Musik hören)
- Kind soll Schlafen als schön und beruhigend empfinden
- eigener Schlafplatz mit persönlichen Gegenständen (zB. Kuscheltier, evtl. eigene Bettwäsche)
- ErzieherIn legt sich zusammen mit den Kindern hin, ohne einzuschlafen (Infos über Schlafgewohnheiten, Entspannung, vermittelt Ruhe und Sicherheit)
- für Vertretungen sollten die individuellen Schlafgewohnheiten an einer Pinnwand notiert werden oder in einem Mitteilungsbuch oder Gruppentagebuch

Bedürfnisse von Kleinkindern

Es folgt eine Auflistung der Grundbedürfnisse von Kleinkindern, in 4 Bereiche unterteilt.

Emotionale Grundbedürfnisse
- verlässlich verfügbare (Körper-) Nähe
- konstante Bezugsperson
- Sicherheit, Geborgenheit
- Empathie (Einfühlungsvermögen) der Bezugspersonen
- Antizipieren (wissen, womit man zu rechnen hat)
- emotionale Wärme und Wertschätzung
- Gefühle (Freude und Zufriedenheit, Trauer und Ärger) ausdrücken dürfen und verstanden werden

Körperliche (vitale) Grundbedürfnisse
- Bewegungsherausforderungen
- Bewegungsfreiraum un Bewegungsräume
- Basisversorgung (ausreichend, Essen, trinken, Kleidung, Schlaf)
- vollwertige Ernährung
- vorausschauende Gesundheitsvorsorge
- Pflege, die sensibel gestaltet ist
- Wechsel von Ruhe / Entspannung und Aktivität


Soziale Grundbedürfnisse
- selbst Einfluss nehmen
- Partizipation (eigenständige Beteiligung)
- sich sicher orientieren
- Wahrnehmung und Anerkennung als einzigartige Persönlichkeit
- sich gemocht und dazugehörig fühlen

Kognitive Grundbedürfnisse (Lernen, Erinnern, Denken)
- Freiraum zum Forschen und Entdecken
- abwechslungs- und anregungsreiche Lernumgebung
- Ansprache auf Augenhöhe
- Antworten auch auf Fragen ohne Worte
- Grunderfahrungen mit Ereignissen, Dingen und Materialien
- kompetente Erwachsene als Vorbilder
- andere Kinder als Mitmacher und Feedback-Geber

Bedeutung der individuellen Eingewöhnung (Krippe)

Von der Mutter-Kind-Bindung zur Bezugserzieherin-Kind-Beziehung

- der Übergang in die Krippe wird gemeinsam von den Eltern, dem Kind und der Bezugserzieherin gestaltet
- die Eingewöhnungsphase sollte behutsam, positiv und individuell gestaltet werden
- Eingewöhnung geschieht elternbegleitend, bezugspersonenorientiert und abschiedsbewusst

Elternbegleitet
* Elternteil als emotionale Basis und "sicherer Hafen", um die neue Umgebung und die Bezugserzieherin kennenzulernen

Bezugspersonenorientiert
* Bezugserzieherin widmet sich ganz dem Kind, versucht eine vertrauensvolle Beziehung aufzubauen
* Ziel: Bezugserzieherin wird zur sicheren basis für das Kind

Abschiedsbewusst
* klare Gestaltung des Abschieds wichtig
* Rituale als Hilfe
* Kind soll bewusst werden, dass Elternteil zurückkommt

Ziel einer individuellen, begleiteten Eingewöhnung:
- Kind kann, ausgehend von der sicheren Basis seiner primären Bindungsperson, zu seiner Bezugserzieherin Vertrauen fassen und die zunächst fremde Umgebung der Einrichtung erkunden

!! Erzieher bauen keine Bindungen zum Kind auf, sondern Beziehungen !!


Anzeichen einer gelungenen Eingewöhnung:
- Kind sucht aktiv Trost bei der Bezugserzieherin und wird von dieser getröstet

!! Erzieher-Kind-Beziehungen sind nicht von der Qualität der Mutter-Kind-Bindung abhängig und können die Beziehung zur Mutter auch nicht ersetzen !!
!! ErzieherInnen steht es nicht zu, die Bindungsqualität zwischen einem Kind und seinen primären Bezugspersonen zu beurteilen !!

Eigenschaften der Erzieher-Kind-Bindung
* Zuwendung (Interaktion, Bedürfnisbefriedigung, Wertschätzung, Empathie)
* Sicherheit (Kind fühlt sich sicher, fasst Vertrauen, lässt sich trösten)
* Stressreduktion (bei Ängsten / Problemen durch Spiegeln, aktives Zuhören, Handeln)
* Explorationsverhalten unterstützen
* Assistenz bei Grenzen (was darf das Kind, wo sind räumliche Grenzen, Grenzen bei Werten / Normen)

- die Bezugserzieherin wird vom Kind meist vor allen anderen Betreuungspersonen bevorzugt
- ein Verlust (zB. durch Mutterschaft, längere Krankheit, Arbeitsplatzwechsel) wäre ein emotional sehr belastendes Ereignis für das Kind; wiederholt sich der Verlust, kann das Auswirkungen auf die Bereitschaft zum Aufbau einer vertrauensvollen Erzieher-Kind-Beziehung haben;


Aufgaben einer Krippenerzieherin bei der Betreuung von U3-Kindern
1. Lebensjahr
- auf kindliche Signale achten (kann sich sprachlich noch nicht ausdrücken)
- eigenen Schlafrhythmus berücksichtigen
- Beziehungsaufbau über Pflegesituation
- prompte Reaktion bei Bedürfnisbefriedigung (Bindungssystem wird in kurzen Abständen aktiviert)

2. Lebensjahr
- Sicherheit in der Fremdelphase bieten
- Entwicklung des Ich Bewusstseins unterstützen
- Unterstützen im Umgang mit aggressiven Verhaltensweisen und negativen Gefühlen (Ärger, Wut)
- Akzeptieren des kindlichen Gemütszustandes
- Unterstützen bei beginnender Autonomiephase

3. Lebensjahr
- Autonomiephase unterstützen
- zielkorrigierte Partnerschaft: Beziehungsgestaltung durch das Kind zulassen
- Explorationsverhalten unterstützen
- bewussten Abschied von der Krippe vorbereiten (mit Kind und Eltern gemeinsam)

INFANS Eingewöhnungsmodell

Das INFANS Eingewöhnungsmodell, auch Berliner Modell wurde entwickelt von Laewen und Andres.
Das Modell teilt die Eingewöhnungszeit, die sich über einen Zeitraum von 1 bis 4 Wochen erstreckt, in 5 Phasen auf.

1. Phase: Erstkontakt
- Eltern werden über den Ablauf und die Bedeutung des begleitenden Eingewöhnens informiert
- Hinweis an die Eltern, dass diese die Hauptbindungspersonen bleiben
- Ziel: Trennungsängste der Eltern zu mildern

2. Phase: dreitägige Grundphase
- Kind hält sich mit einem Elternteil für 1-2h in der Krippe auf
- es findet in diesen Tagen kein Trennungsversuch statt

- Mutter (oder auch Vater):
* eher passiv, drängt Kind nicht
* akzeptiert, wenn Kind Ihre Nähe sucht
* ist der "sichere Hafen" zu dem das Kind bei Unwohlsein oder Überforderung zurückkehren kann
* sollte sich nicht anderweitig beschäftigen, sondern ihrem Kind die volle Aufmerksamkeit schenken

- Bezugserzieherin:
* vorsichtige Kontaktaufnahme ohne Drängen, durch Spielangebote oder Beteiligung am kindlichen Spiel
* Beobachtung des Verhaltens zwischen Mutter und Kind

3. Phase: Trennungsversuch am 4. Tag
- in dieser Phase wird eine vorläufige Entscheidung über die Dauer der Eingewöhnung getroffen
- einige Minuten nach dem Ankommen verabschiedet sich Mutter bewusst vom Kind und verlässt den Raum, verbleibt aber in der Krippe
- Bezugserzieherin beobachtet kindliche Reaktion bei Verabschiedung und Wiederkehr der Mutter (Frage: in welchem Maß benötigt Kind die Anwesenheit der Mutter?)

* Kind reagiert eher gleichmütig, zeigt weiterhin Explorationsverhalten, bleibt ansprechbar -> Ausweitung der Trennung auf 30min
* Kind weint, lässt sich durch die Bezugserzieherin aber rasch beruhigen -> Ausweitung der Trennung auf 30min
* zeigt das Kind Anzeichen von Erschöpfung, wird der Trennungsversuch abgebrochen
* Kind wirkt bei Weggang der Mutter verstört (erstarrte Körperhaltung) oder weint untröstlich, wird der Trennungsversuch abgebrochen

- kürzere Eingewöhnung (etwa 6 Tage):
*  klare Versuche der Kinder, selbst mit Belastungssituationen fertig zu werden
* Kind wendet sich dabei nicht an den begleitenden Elternteil
* Kind zeigt eventuell sogar Widerstand  gegen  ein  Aufnehmen
* Kind zeigt wenige  Blickkontakte  zu  Mutter
* Kind zeigt seltene oder gar keine, oft eher zufällig wirkende Körperkontakte zur Mutter


- längere Eingewöhnung (etwa 2-3 Wochen):
*  häufige Blickkontakte zu Mutter
* offene und unbefangene Annäherungen bis zum Körperkontakt während der ersten drei Tage und bei Rückkehr von Mutter nach der ersten Trennung
* nach Abbruch sollte mit dem nächsten Trennungsversuch einige Tage gewartet werden

4. Phase: Stabilisierungsphase
- Bezugserzieherin übernimmt im Beisein der Mutter immer mehr die Versorgung des Kindes (Füttern, Wickeln, sich als Spielpartner anbieten)
- Mutter überlässt es immer öfter der Erzieherin, auf die Signale des Kindes als erste zu reagieren
- Mutter hilft nur noch, wenn das Kind die Bezugserzieherin noch nicht akzeptiert
- bei kürzerer Eingewöhnung wird die Trennungsphase zeitlich ausgeweitet, am 5. und 6. Tag ist die Anwesenheit der Mutter in der Krippe notwendig, um bei Bedarf in den Gruppenraum geholt zu werden
- bei längerer Eingewöhnungszeit findet erst am 7. Tag ein erneuter Trennungsversuch statt
- Mutter entwickelt mithilfe der Bezugserzieherin ein kurzes Abschiedsritual, um die tägliche Trennung zu erleichtern

5. Phase: Schlußphase
- Mutter hält sich nicht mehr in der Krippe auf, ist aber jederzeit für den Notfall erreichbar
- Eingewöhnung gilt als abgeschlossen, wenn das Kind die Bezugserzieherin als "sichere Basis" akzeptiert und sich von ihr trösten lässt
- Kind hat das Recht bei Weggang der Mutter zu protestieren (Bindungsverhalten zeigen), es lässt sich aber von der Bezugserzieherin rasch beruhigen und wendet sich den Aktivitäten im Gruppenraum zu

!! Die Eingewöhnung verlangt von den Kindern eine hohe Anpassungsleistung. Es reagiert manchmal darauf mit starker Müdigkeit in der ersten Zeit nach dem Aufenthalt in der Krippe. Eltern sollten informiert werden, dass dies eine ganz normale Reaktion des Kindes ist. Idealerweise besucht das Kind in der dersten Zeit höchstens halbtags die Krippe !!


Entwicklung der Geschlechtsidentität im Krippenalter

- durch Experimente hat man herausgefunden, dass Kinder bereits sehr früh Unterschiede zwischen den Geschlechtern wahrnehmen

3 - 6 Monate
* Unterscheidung von weiblichen und männlichen Stimmen

9 - 12 Monate
* Unterscheidung von männlichen und weiblichen Gesichtern
* Zuordnung von Stimmen zu den Gesichtern

10 - 14 Monate
* Kind betrachtet in Filmen das eigene Geschlecht länger

bis 24 Monate
* Unterscheidung zwischen "weiblich" und "männlich" möglich
* ungefähre Zuordnung von Gegenständen und Verhaltensweisen zum jeweiligen Geschlecht
* zum Geschlecht passendes Spielzeug wird bevorzugt
* eigenes Geschlecht kann noch nicht kategorisiert werden
* Differenzierung durch äußere Merkmale (Haarlänge, Kleidung), noch nicht durch die Geschlechtsorgane

bis 36 Monate
* noch kein Verständnis dafür, dass das Geschlecht unveränderlich ist und ein Leben lang beibehalten wird (Geschlechtskonstanz)
* begrenztes Wissen über die Verhaltensunterschiede der Geschlechter


Geschlechterbewusste Erziehung

- Kinder müssen unterstützt werden, ihre eigene Geschlechtsidentität ohne einengende Zuschreibungen zu entwickeln
- Entwicklungspotenziale von Jungen und Mädchen unabhängig von der Geschlechtstypisierung fördern
- Erziehung zu geschlechtsstrereotypem Rollenverhalten oft unbewusst; Bewusstmachung und Reflexion unerlässlich für eine Erziehung zur Gleichberechtigung
- bei Mädchen oft keine direkte Benennung der Geschlechtsorgane, sondern nur eine Defizitbenennung (kein Penis); in Zusammenarbeit mit den Eltern sollte auf dieses Thema behutsam eingegangen werden

Prinzipien einer "geschlechtergerechten" Erziehung:
*  Mädchen und Jungen sind gleichwertig und gleichberechtigt, aber nicht gleich
* Gemeinsamkeiten der Geschlechter (Intelligenz, Fähigkeiten, Persönlichkeit, Begabungen) sind größer als die Unterschiede zwischen ihnen
* soziales Geschlecht ("gender") ist das Ergebnis sozialer Interaktionen und somit flexibel und veränderbar, nicht stabil
* beide Geschlechter werden benachteiligt (durch Stereotypisierungen und pädagogische Praktiken)


Geschlechtsbewusste pädagogische Grundhaltungen
* Hinterfragen von Verallgemeinerungen wie "typisch Junge" oder "typisch Mädchen"
* Kinder sowohl als Mitglied ihrer Geschlechtergruppe, als auch als Individuen sehen
* Jungen und Mädchen erfahren zeitlich und qualitativ die gleiche Zuwendung und Aufmerksamkeit
* gleicher Zugang und gleiche Teilhabe von Jungen und Mädchen an allen Lerninhalten und Lernräumen
* Leistungen von Jungen und Mädchen werden gleichermaßen gewürdigt
* bewusste Auswahl von Medien, da oft die Hauptrollen von Jungen dargestellt werden
* Balance finden zwischen gleichgeschlechtlichen Spiel- und Lerngruppen undgemischten
* auf Abbau von Statusunterschieden achten
* in Rollenspielen dazu ermutigen, Geschlechterrollenstereotypen zu überwinden (Mädchen als Feuerwehrfrau, Jungen versorgen das Baby)
* Sicherstellen, dass es zu keiner Diskriminierung und Ausgrenzung kommt, wenn sich Kinder "geschlechtsuntypisch" (Stereotypen) verhalten, also Jungen zB. gern mit Puppen spielen
* beim Sprechen darauf achten, zwischen männlicher und weiblicher Form bewusst abzuwechseln
* Austausch mit den Kindern über die verschiedenen Geschlechter


Was eine Erzieherin/ein Erzieher beachten sollte:
* Fachwissen über die Entwicklung der Geschlechtsidentität erlangen
* Selbstreflexion und Gespräche im Team
* geschlechtsbezogene Normen, Werte, Traditionen und Ideologien hinterfragen (zB. Jungen kämpfen gern, Mädchen interessieren sich nicht für Technik)
* Auseinandersetzung mit dem Berufsfeld der Erzieherin und den damit verbundenen Stereotypen (zB Feminisierung der frühen Kindheit)
* Reflexion der Bedeutung des erwachsenen Vorbildes in der Einrichtung
* langfristige Elternarbeit (Situation von Vätern und Müttern berücksichtigen, sie nicht nur als die Eltern sehen; auch andere Lebenssituationen, zB. Alleinerziehende und andere Kulturkreise berücksichtigen)